Ich schreibe hier ja oft darüber, WIE ich ein bestimmtes Foto gemacht habe. Also, welches Licht aus welcher Richtung, aus welchem technischen Hintergrund heraus, etc. pp..
Das ist auch sicherlich für einige nicht uninteressant (hoffe ich jedenfalls), denn dabei trete ich ja auch immer mal wieder meine Fehlentscheidungen breit. Oder erzähle von den Stellen, wo die Wirklichkeit meinen fotografischen Plänen aber mal ganz fies die Zunge heraus gestreckt hat, und dann spontan der fotografische Masterplan umgestrickt werden musste.
Wie auch immer: Vorwiegend geht es dabei um ‘fotografische Technik’. Die ist hier und heute aber mal ganz still und nicht gemeint. Daher:
DENN was ist natürlich noch viel wichtiger als der Technikkram?
Na klar:
Der MENSCH vor meiner Kamera und meine VERBINDUNG zu ihm.
Die besten Fotos eines Menschen – und eben nicht nur seiner äußeren Hülle – entstehen immer dann, wenn ‘die Chemie stimmt’, also wenn Fotograf und Fotografierte(r) eine Verbindung miteinander haben, wenn Vertrauen da ist, wenn die Kamera nicht der dicke, schwarze Klotz ist, der unweigerlich zwischen Model und Fotograf steht und die Kommunikation behindert.
Denn die Menschen vor meiner Kamera begeben sich ja in eine sehr verwundbare Situation. Sie sehen nicht, was ich sehe. Sie wissen nicht,
dass und wie mein Licht die mit nacktem Auge sichtbare Situation verändert. Die Umsetzung mancher Posingtipps fühlt sich unter Umständen ganz merkwürdig an, ohne dass der Mensch vor der Kamera selber sehen kann, dass das aber gut aussieht.
Als Fotografen verlangen wir also von den Menschen, die wir fotografieren, ganz schön viel Vertrauen in uns und unsere merkwürdigen Ideen und Anweisungen. Und wir verlangen, dass sie die Schutzwände, die jeder Mensch um sein Innerstes gebaut hat, wenigstens ein bißchen einreißen, damit wir dann den “echten Menschen” fotografieren können.
Eine gewisse Zurückhaltung ist also insbesondere bei Menschen, die nicht oft fotografiert werden, absolut nicht überraschend. Diese Zurückhaltung im Laufe eines Fotoshootings zu überwinden und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen ist meines Erachtens die größte Hürde, die es in der Fotografie von Menschen zu überwinden gilt.
Ob ich das immer schaffe? Oft ja, aber eben leider nicht immer. Manchmal scheitert es ganz einfach am Faktor Zeit. Je nach Persönlichkeitstyp braucht es einfach etwas Zeit, um das nötige Vertrauensverhältnis wachsen zu lassen. Und diese Zeit hat man nicht unbedingt immer. Denk zum Beispiel mal an eine Hochzeit. Klar, Braut und Bräutigam lernen mich vor der Hochzeit ein wenig kennen und sind am Tag der Hochzeit selber sowieso emotional im Ausnahmezustand (hoffentlich jedenfalls…). Da hatte ich bisher eher weniger Probleme. Aber die diversen Freunde und Familienmitglieder des Brautpaares, die auch mal vor die Kameralinse geraten? Zeit, zu jedem Einzelnen eine Vertrauensbasis aufzubauen hat man jetzt auf einer Hochzeit mal eher nicht.
Im Fall eines “ganz normalen” Einzelshootings mit Erwachsenen aber gelingt es eigentlich fast immer, ein ausreichendes Vertrauensverhältnis aufzubauen, wenn man sich ein wenig Zeit nimmt. Am besten vorher schon so gut wie möglich miteinander bekannt machen, und dadurch versuchen, so früh wie möglich mit der Bildung eines Vertrauensverhältnisses zu beginnen. Insofern ist die Zeit VOR dem Shooting eine ziemlich wichtige, und genau deshalb ist der Schnack beim Kaffee vor dem Shooting so bedeutend.
Und wenn ich dann beim einleitenden Schnack den Grundstein zu einer Vertauensbasis gelegt habe, muss ich beim Shooting selber natürlich darauf weiter aufbauen. Das heißt insbesondere, dass ich alles tun muss, um die Person vor der Kamera in seiner/ihrer Situation zu beschützen und nicht alleine zu lassen. Zum Beispiel kann ich nicht einfach wortlos die Kamera auf ihn oder sie richten, ein paar Fotos machen und ebenso wortlos (am besten noch kopfschüttelnd) auf das Kameradisplay schauen oder am Licht rumfummeln.
Da gilt die ewige Weisheit:
REDEN HILFT.
Wenn Du noch Testfotos machst, um Dein Licht einzurichten, sag das. Wenn Du mit einem Foto nicht zufrieden bist, weil das Licht nicht perfekt ist, sag, dass das Foto schon ganz klasse ist, Du jetzt aber noch das Licht optimierst, um das Tüpfelchen auf dem “i” hinzukriegen. Denn wenn Du einfach nur die Stirn in Falten legst oder den Kopf schüttelst, bezieht der Mensch vor der Kamera das natürlich gleich auf sich und wird verunsichert. Und wenn Du mit einem Foto nicht zufrieden bist, weil die Pose unvorteilhaft ist, sei trotzdem begeistert von dem Foto. Und dann schlägst Du einfach vor, vielleicht noch eine andere Pose auszuprobieren… 😉
Du musst übrigens auch immer “echt” sein – so jedenfalls meine Meinung. Ich habe nämlich beim Fotografieren den Kopf absolut voll mit Mensch, Pose, Zeitplan, Fototechnik und was auch immer zum Fotografieren noch dazugehört. Da können sich meine drei armen Synapsen nicht auch noch damit beschäftigen, z.B. das Bild eines obercoolen Jet-Set-Fotografen zu projezieren.
Ich bin ich.
Und entweder, mein Kunde und ich passen irgendwie zusammen oder eben nicht. Im letzteren Fall ist es dann einfach nicht mein Kunde. Gut, wenn man das erst beim Shooting selber feststellt, muss man da irgendwie durch, das hilft dann alles nichts. Aber in der Regel stellt sich sowas ja bei den Kontakten im Vorfeld zu einem Fotoshooting heraus.
Manchmal bekommt man von erfahrenen Fotografen ja auch als Tipp mit auf den Weg gegeben, dass man den Mensch vor der Kamera bloß nicht mitbekommen lassen soll, wenn man als Fotograf an irgendeiner Stelle das Foto vergeigt hat – Fokus sitzt nicht, Blitzauslöser vergessen, Objektivdeckel noch drauf etc. (Nein, dass ist MIR natürlich alles noch nicht passiert! Hab ich nur mal von gelesen….. *Hust*). Das mag in bestimmten Anwendungsbereichen auch seine Berechtigung haben. Etwa, wenn man mit Supermodels, hochrangigen Politikern oder Stars zu tun hat, die allesamt einen straffen Zeitplan haben und ihre Zeit absolut effizient genutzt wissen wollen. Da kann ich dann verstehen, dass man sich als Fotograf absolut keine Blöße geben möchte. (Andererseits: Technische Pannen und blöde Fehler sollten einem in dem Metier sowieso nicht unterlaufen – da muss dann einfach alles bis zum Eintreffen der Person eingerichtet und dreifach getestet sein)
Aber im Privatkundengeschäft oder beim Zusammentreffen mit “Spaß-an-der-Freude-Models”? Da finde ich es eher sympathisch und ehrlich, zu seinen Fehlern zu stehen. Jedenfalls, solange man nicht einen Klopper nach dem nächsten bringt. Das wäre dann doch irgendwann einfach nur peinlich. Aber auch dann sollte man nicht vorrangig an den besten Vertuschungstechniken für die eigenen Fehler feilen, sondern daran, die Fehlerquote zu senken ;-).
So, worum ging es jetzt eigentlich?
Um den Mensch VOR der Kamera. Der muss sich möglichst wohlfühlen.
Denn sonst fotografierst Du oft nur eine Show-Oberfläche, aber eben nicht den Mensch darunter.