Moin. Kürzlich habe ich mich mit Lauryi zu einem netten Shootingtag getroffen.
Und weil meine Headshot-Gallerie ja noch Zuwachs vertragen kann, stand natürlich auch ein solcher Headshot auf dem Shootingplan. Also habe ich einfach unter dem (großen) Carport ein Studio aufgebaut und schon ging es los. Oben habe ich Dir ja schon zwei Headshots und ein Foto vom Setup gezeigt. Das Warum/Weshalb/Wieso werde ich mit dem folgenden Q&A erschlagen. Solltest Du allerdings noch weitere Fragen haben, frag mich ruhig. Dafür ist so eine Kommentarfunktion ja da.
Los geht’s:
Warum unter dem Carport?
Da ist genug Platz. Und es hat geregnet. Und ich habe kein festes Studio, sondern mache im Wesentlichen Homeshootings, bei denen ich mein Studio eben dort aufbaue, wo es gebraucht wird. In diesem Fall eben bei mir zu Hause unter dem Carport.
Aha. Aber war die Einrichtung des Lichtes dann nicht problematisch mit diesen Unmengen an natürlichem Licht?
Nö. Bei ISO 50, Blende 18 und 1/125 Belichtungszeit war vom natürlichen Umgebungslicht nix mehr da. Wie Du im Setup-Foto siehst, habe ich auch ein Sonnensegel unter dem lichtdurchlässigen Carportdach hängen. Das habe ich zwar nicht dort hingehängt, damit ich fotografieren kann, aber auch dafür ist es reichlich nützlich.
Hmmm. Blende 18….. Blende 18??? Sag mal, hast Du da nicht schon so richtig fett mit Beugungsunschärfe zu kämpfen?
Nö. Alles gut, nix gebeugt.
Na gut, will ich dann mal glauben. Aber was genau hast Du denn da jetzt alles aufgebaut? Der Carport sieht ja ganz schön zugestellt aus.
Gut, dass Du fragst. Also erstmal: Das Gartenhaus und das Kinderspielhaus hinten links, der Tisch hinten rechts und das grün abgedeckte Etwas nicht ganz hinten links (ein Strandkorb übrigens) haben mit dem Fotosetup nichts zu tun. Die steh’n da immer, OK?
Scherzkeks. Das war ja wohl klar. Nun also mal bitte den restlichen Aufbau erläutern. Vielleicht gehst Du einfach mal von hinten nach vorne durch das Produktionsfoto?
Ja, gerne.
Also: Im Hintergrund ist der Hintergrund (wer hätte das gedacht). In dem Fall ist das eine schmale Rolle mittelgrauer Tetenal-Karton auf meinem mobilen Hintergrund-System. Die gelb-schwarz gestreiften Teile unten am Hintergrundsystem sind Sandsäcke, die das ganze Konstrukt davon abhalten sollen, auf mein Model zu kippen. Hat soweit auch geklappt.
Da bin ich aber froh. Dein Hintergrund hat aber ‘nen gelben Fleck in der Mitte. Hast Du das nicht gesehen?
Der “Fleck” mitten auf dem Hintergrundkarton ist Absicht. Verursacht wird er vom Einstelllicht des Blitzes, der auf dem kleinen Bodenstativ steht und auf den Hintergrund gerichtet ist. Das war einer meiner 500WS-Blitze, versehen mit einem 55 Grad Normalreflektor und einer 20 Grad Wabe. Der Blitz wirft also nur einen engen Lichtspot auf den Hintergrund und verursacht im Foto so diesen ganz minimalen Helligkeitsverlauf aus der Bildmitte heraus. Auf dem Produktionsfoto sieht man der Verlauf aufgrund des Einstelllichtes des Blitzes viel stärker, als nachher die Aufhellung des Hintergrundkartons durch das eigentliche Blitzlicht. Vergleiche mal in den beiden Headshots über diesem Beitrag: das linke Foto ist ohne diesen Spot aufgenommen, das rechte mit.
Gut, das war also der Hintergrund. Was ist mit dem Vordergrund?
Am silbernen Galgen vorne links findest Du das Hauptlicht in Form einer Beauty-Dish, die ich zwecks Abmilderung des Lichtes noch mit der Diffusions-Badehaube verziert habe. Die Dish wird befeuert von meinem Jinbei DC-600-Porty, also einem in Blitzkopf und Generator aufgeteilten, akkubetriebenen Studioblitz. Die Position ist hochfrontal; heißt: Das Model hat exakt mittig “unterhalb” der Beauty-Dish gestanden. Wichtig dabei ist – das habe ich bei diesem Shooting auch wieder gesehen – die Position des Hauptlichtes genau auf das Model abzustimmen. Im ersten Aufschlag hatte ich das Licht zu steil stehen; heißt: die Beauty-Dish zeigte etwas mehr in Richtung Boden als auf dem Setup-Foto. Dass führte dann zu unschönen Schatten im Gesicht, die auch der Reflektor nicht hinreichend aufhellen konnte. Also habe ich die Dish etwas weiter heruntergeholt und den Blitzkopf mit Dish mehr in Richtung Model gedreht. Eine nichtmal große Veränderung, aber in den Fotos ein Unterschied wie Tag und Nacht.
OK. Du sagtest da gerade was von einem Reflektor? Das ist das flache Teil unterhalb der Beauty-Dish, oder?
Genau. Der Reflektor auf dem schwarzen Galgenstativ unterhalb des Hauptlichts ist ein Sunbounce Micro-Mini mit silberner Bespannung. Dessen Job ist die Aufhellung der Schatten, die durch die hochfrontale Position des Hauptlichtes unter den Augenbrauen, der Nase und dem Kinn entstehen. Über die Oberfläche des Reflektors (z.B. silber oder weiß) sowie über die Position (höher oder tiefer) kannst Du die vom Reflektor zurückgeworfene Lichtmenge regulieren. Ich wollte ein klassisches Beauty-Licht in Form einer Lichtzange von oben und unten. Da hierbei oft das von unten kommende Aufhelllicht fast genauso stark ist, wie das Hauptlicht, habe ich halt den sehr effektiven silbernen Reflektor genommen und den so hoch positioniert, wie es nur ging – heißt: gerade so hoch, dass ich genug Spielraum zum Fotografieren eines Kopf-Schulter-Portraits hatte.
Aha. Und das kann nur ein Sunbounce-Reflektor?
Na klar…… ist das totaler Unfug. Ich habe zwar den einen oder anderen Sunbouncer, weil ich die Teile wirklich gut finde, aber das geht grundsätzlich mit jedem x-beliebigen Reflektor.
Und was machst Du, wenn der Reflektor doch nicht genug Licht ins Bild zurückwirft? Zum Beispiel, wenn die silberne Bespannung gerade in der Wäsche ist oder Du den Reflektor tiefer positionieren müsstest, weil Du mehr vom Oberkörper im Bild haben möchtest?
Naja, also wenn ein passives Aufhelllicht mittels Reflektor nicht ausreicht, muss halt ein aktives her. Sprich: Anstelle eines Reflektors käme dann ein weiterer Blitz zum Einsatz, voraussichtlich mit einer Softbox bestückt. Damit könnte ich dann die Lichtmenge nach belieben hochdrehen.
Das ist dann eigentlich schon das ganze Setup. Ansonsten siehst Du im Setup-Foto vorn rechts nur noch meinen Laptop und die Kamera in Ruheposition auf dem Stativ. Wann immer es geht – und bei so kontrollierten Headshot-Setups geht das eigentlich immer- fotografiere ich gerne “tethered” (also kabelgebunden) direkt in den Computer. Die direkte Bildkontrolle in Lightroom am Laptopmonitor ist dann doch eine ganz angenehme Angelegenheit.
Noch Fragen?
Ja, klar. Wie waren denn Deine Kameraeinstellungen?
Hatte ich das nicht schon… Ach, egal. Also erstmal “AN”, dann f/18, 1/125, ISO 50. Kamera: Nikon D800, Objektiv Nikon 70-200/2.8 bei etwa 90-100mm Brennweite.
Gegenfrage: Was nutzen Dir jetzt diese Daten? :-))
Öhm….. Noch ‘ne Frage: warum bist Du von der Brennweite her relativ weit unten geblieben? Werden die Proportionen des menschlichen Gesichts nicht schmeichelhafter dargestellt, je länger die Brennweite ist?
Eindeutiges “JEIN”. Was die optimale Portrait-Brennweite ist, ist absolut vom persönlichen Geschmack und – ganz wichtig – von der Person abhängig, die Du fotografierst. Klar, 85mm gilt an einer Vollformat-Kamera als ultimativer Sweet-Spot für Portraits, genauso gibt es aber 135mm- und 200mm-Verfechter und 35mm-Verfechter. Das kann man wirklich nicht verallgemeinern. Klar ist, dass man bei den weitwinkligeren Brennweiten aufpassen muss, dass Nase und Stirn nicht zu sehr betont werden; andererseits transportiert so eine Spur Weitwinkel-Aroma im Foto eben auch die physische Nähe, die Fotograf und Model beim Fotografieren zueinander gehabt haben; jedenfalls mehr als es ein Distanz-Foto mit 200mm haben würde. Hat das Model aber sowieso schon eine hohe Stirn, wäre Weitwinkel ein Nogo (außer, ich schneide direkt über den Augenbrauen…).
Am Hin- und Her in der Antwort siehst Du aber, dass hier mal wieder die in der Fotografie so häufige Standardphrase passt: ES KOMMT DARAUF AN.
Im konkreten Fall gab es aber noch einen SEHR guten Grund, keine längere Brennweite zu nehmen: Ich hätte dann weiter zurück gehen müssen und wäre dem vorderen Ende des Carports nahe gekommen. Und es regnete ja….
Zum Stichwort “Schneiden”: Warum hast Du ihr immer einen Teil vom Kopf abgeschnitten?
Ganz einfach: Ich steh drauf. Mal im Ernst: Nimm mal so ein Kopf-Schulter-Portrait, bei dem der Kopf komplett mit drauf und vielleicht noch etwas Luft drüber ist. Und dann nimm eine Kopie davon und schneide das mal so, dass der obere Teil des Haarschopfes verschwindet. Dann lass Dir mal beide Fotos direkt nebeneinander anzeigen, und frag Dich, welches Foto mehr Direktheit/Nähe/Wirkung entfaltet. Für mich ganz klar die Fotos mit Anschnitt. Woran das genau liegt, weiß ich nicht. Ich denke, es hat was damit zu tun, dass das Gesicht ganz einfach größer (also “näher”) dargestellt wird. Außerdem sind die Augen beim angeschnittenen Bild tendenziell eher im oberen Bilddrittel als bei einem Portrait mit ganzem Kopf. Da liegen die Augen ganz oft genau in der Bildmitte.
Ob das jetzt eine sinnvolle sachliche Erklärung ist kann ich nur mutmaßen. Ganz sicher ist aber: Ich mag das.
Sonst noch Fragen?
Nein, Danke. Reicht erstmal.
Na, dann zum Abschluss hier noch ein Ergebnis des Shootings, mit dem ich auch sehr zufrieden bin. Rock On!!