Als Fotograf im Privatkundenbereich kennst Du das sicher. Als die Person vor der Kamera mit nur sehr gelegentlichem Kontakt zur Fotografie unter Umständen auch. Nur eben aus unterschiedlichen Blickwinkeln:
Das Unwohlsein oder gar eine gewisse Angst, vor dem gläsernen Ende einer Kamera zu stehen.
Oft äußert sich das ja bloß in einer mehr oder weniger deutlichen Anspannung, die man dann als Fotograf zu überwinden sucht. Manchmal ist da aber mehr. So war das bei meinem Shooting mit dem Team von Entheos-Coaching in meinem Lieblings-Outdoor-Studio, dem Burgpark der Burg Linn. Das Team brauchte Fotos für die Website ihrer neu gegründeten Firma. Der Kontakt kam über eine Freundin aus Schulzeiten zustande, die Teil des Coaching-Teams ist. Diese stand ganz offen dazu, dass sie ein Problem damit hat, fotografiert zu werden. Sie fragte mich, was sie denn tun könne, um ihre “Fotophobie” zu überwinden.
Das hier habe ich ihr dann im Zuge unseres E-Mail-Verkehrs vor dem Shooting geschrieben:
So, nun mal (…) ein paar Worte zum Thema „Unbehagen beim Fotografiert-werden“. Ohne, dass wir jetzt großartig mal darüber gesprochen hätten, warum Du glaubst(!), dass Du ein Problem damit hast, fotografiert zu werden (in Wirklichkeit hast Du da nämlich kein Problem, Du weißt das nur noch nicht…), hier mal ein paar Ansätze und Ideen:
„Ich bin einfach nicht fotogen”
Es gibt ja wirklich viele Leute, die glauben, sie wären nicht „fotogen“ oder sie würden generell auf Fotos nicht gut aussehen. Der Hintergrund dafür – und damit die Lösung – ist eigentlich ganz simpel: Die allermeisten Menschen sind noch nie „fotografiert“, sondern immer nur „geknipst” worden. Deshalb kennen die Leute nur Schnappschüsse von sich selber – nach dem Motto „Schatz, guck doch mal“ – Klack. Und das am besten noch mit einem Weitwinkel aus 15cm Abstand und einem Blitz direkt auf der auf Kamera, frisch nach dem Aufstehen am Montagmorgen in den besten Schlabberklamotten. Das bei solchen Fotoüberfällen nie ein wirklich schmeichelhaftes Foto herauskommt, versteht sich quasi von selbst. Und selbst, wenn man sich sorgfältig gestylt hat – für eine Party zum Beispiel – und damit die Auswahl der Kleidung und die Augenringe des frühen Montagmorgen schon mal kein fotografisches Problem darstellen – kommen eben trotzdem meist nur Schnappschüsse ohne Rücksicht auf die Pose, Haltung, das Licht, die Brennweite etc. zustande.
Und wenn DAS dann der vorherrschende Eindruck ist, den man von sich selbst auf seinen Fotos hat, ist eine gewisses Unbehagen in Sachen Foto völlig verständlich.Die Lösung dafür ist grundsätzlich recht simpel und heißt ganz einfach: Wir lassen uns mit dem Foto ein bißchen Zeit.
- Zeit für die eigene Vorbereitung in Sachen Kleidung und ggf. Makeup.
- Zeit, eine geeignete Location aufzusuchen.
- Zeit, das Licht zu formen und zu optimieren
- Zeit für Dich zum „Warmwerden”, damit Du Dich ein bißchen an die Situation gewöhnen kannst
- Zeit für mich, herauszufinden, was für Dich die optimale Haltung ist
Lässt man sich nämlich beim Fotografieren einfach mal ein bißchen Zeit und erarbeitet ein Foto – so wie wir das machen werden – kommen in aller Regel ganz andere Ergebnisse zustande, als man das von den diversen Schnappschüssen gewohnt ist.
Spieglein, Spiegeln…
Ein weiterer Aspekt, warum sich viele Leute auf Fotos „komisch“ vorkommen, ohne dass sie sagen könnten, woran das genau liegt, ist ganz banale Physik: Jeder Mensch kennt sein eigenes Gesicht nur aus dem Spiegel – und deshalb nur als seitenverkehrtes Spiegelbild! Ein Foto zeigt Dich aber stets so, wie der Rest der Welt Dich sieht und entspricht genau deswegen nicht der eigenen Wahrnehmung.
Da kann man ehrlicherweise nix dran machen, denn wenn man das Foto spiegelt, passt es zwar vielleicht besser zur eigenen Wahrnehmung, aber auf einmal findet der Rest der Welt das Foto unter Umständen etwas merkwürdig. Die einzige Hilfe ist, sich diesen Umstand mal vor Augen zu führen, wenn man mal wieder ein Foto von sich selbst sieht, auf dem „irgendetwas merkwürdig ist“.
Fokussierung auf die Kleinigkeiten
Und last but not least sieht man sich selbst viel zu häufig, als dass man bei der Beurteilung des eigenen Aussehens objektiv sein könnte. Das heißt, der Eindruck, den man von sich selber hat, ist nicht mehr vom objektiv vorhandenen, allgemeinen Gesamteindruck geprägt, sondern vielmehr von den paar Details, die einen selber an sich stören. Man macht sein Bild von sich selbst meist an irgendwelchen „störenden“ Kleinigkeiten fest, die unser Umfeld im Zweifel überhaupt gar nicht wahrnimmt oder völlig anders gewichtet.
Hierzu hat die Firma Dove mal ein nettes Video veröffentlicht, dass – unabhängig davon, ob das dort gezeigte Experiment nun tatsächlich so stattgefunden hat oder nicht – mal eine ziemlich eindeutige und wahre Nachricht transportiert.
Was ist zu tun?
Du hast mich gefragt, was Du tun könntest, um Deine „Fotophobie“ zu überwinden. Nun, das Wesentlichste tust Du schon: Du vertraust mir. Das ist schon mal eine geniale Grundvoraussetzung, denn Du weißt, dass da hinter diesem schwarzen Kasten jemand ist, der keinen Mist mit Deinen Fotos anstellt und der auf Dich acht gibt.Versuche bitte nicht mit aller Gewalt, auf den Punkt genau „entspannt zu sein“, das wird nicht funktionieren. Versuche eher entspannte Rahmenbedingungen für den Termin zu schaffen, damit Du nicht schon von allen möglichen anderen Einflüssen her völlig angenervt bist. Alles andere ist eine Frage der Zeit und Ruhe beim Shooting selber. Wir kriegen das schon hin!
Liebe Grüße,
Nach der Antwort auf diese E-Mail zu schließen hat das schon mal eine ganze Ecke weitergeholfen, die Perspektive auf das anstehende Fotoshooting zu korrigieren. Natürlich war es für meine Freundin immer noch mit Überwindung verbunden, tatsächlich vor die Kamera zu treten, aber am Ende hat sie es mit Bravour geschafft und wirkte dabei auch durchaus entspannt.
Ich habe sie dann nach dem Fotoshooting mal ein bißchen mit Fragen zu dem Thema behelligt. Ich wollte von ihr vor allem wissen, was ihr geholfen hat, sich vor die Kamera zu trauen. Daraufhin schrieb sie mir, dass ihr in allererster Linie das Wissen geholfen habe, dass sie mir vertrauen konnte. Und dass meine Anleitungen in Sachen Posing und Haltung dazu beigetragen hätten, das Vertrauen in meine Fähigkeiten als Fotograf zu stärken. Weiterhin sei hilfreich gewesen, dass wir mit einem Gruppenbild mit dem ganzen Entheos-Team angefangen hätten.
Am Ende war es also zu einem guten Teil die alte Verbundenheit aus Schulzeiten, die sie von vornherein mit einem guten Maß an Vertrauen in mich ausgestattet haben. Diese Startsituation hat man ja nun als Fotograf nicht immer, sondern dahin muss man im Zweifel erstmal im Zuge der ersten Kontaktaufnahmen kommen. Das allein wäre aber natürlich dann nicht ausreichend gewesen, wenn ich nicht beim Shooting selber sehr achtsam gewesen wäre, was und wie ich Ideen und Hinweise für das Posing kommuniziert habe. Am Ende ist das also keine Magie, sondern einfach nur ein bißchen Einfühlungsvermögen und das Bewußtsein, dass sich der Mensch vor der Kamera in einer sehr ungewohnten und verletzlichen Position befindet.
Im Prinzip bin ich damit also thematisch wieder bei diesem Blogpost hier, wo ich mich ein bißchen dazu ausgelassen hatte, wie wichtig die Verbindung zwischen dem Mensch vor und dem Mensch hinter der Kamera ist.
Ganz besonders gefreut hat mich ihre Antwort auf die folgende Frage, da hatte ich ehrlich gesagt, ein kleines Tränchen der Rührung im Auge:
Q. Nach 2 Wochen hast Du die Fotos das erste Mal gesehen. Wie war Deine Reaktion?
A. Erst war ich freudig gespannt. Als sie dann da waren hatte ich kurzen Anflug von Panik, ob ich wieder so vollkommen andere Bilder vor meinem geistigen Auge haben werde und: Was mache ich, wenn meine Bilder gruselig sind und sie aber auf die (Web-)Seite müssen? Nach dem Öffnen der Datei hab ich mich dann einfach nur noch gefreut! Nicht nur über meine Bilder, auch über die Bilder der anderen und der Kinder. Ich habe alle Menschen darauf erkannt, also ich meine in Ihrer Energie und Ausstrahlung. Die Bilder sind „wahr“, so hat es sich angefühlt, das habe ich auch gesehen. Verstehst Du, was ich meine? Es geht mir dabei nicht um schön im Sinne der Schönheitsstandards. Ich kann visuell wahrnehmen, welche Energie die Menschen ausstrahlen, dass sie sich wohlfühlen, Spass haben und eine positive Stimmung herrscht. Wobei ich grade denke, es muss gar nicht nur positiv sein, aber eben authentisch! Ja, ich denke, dass beschreibt es am besten. Das Gesicht und die Körperhaltung, passen zu dem was da aus den Augen kommt.
Mission erfolgreich, würde ich dazu mal sagen. Ein größeres Lob kann man wohl als Portrait-Fotograf nicht bekommen. Danke!So, das war jetzt irgendwie wieder ein ziemlich langer Blogpost. Ich hoffe er kann Dir (als Fotograf/in) eine Hilfe im Bekämpfen der Ängste und Sorgen Deiner Kunden sein. Und ich hoffe er kann Dir (als Kunde eines Fotografen) schon mal die eine oder andere Sorge erleichtern oder gar nehmen. Deine Erfahrungen in diesem Zusammenhang würden mich sehr interessieren. Schreib mir doch mal, wie Du (als Fotograf/in) erfolgreich einen Kunden mit Fotophobie ‘behandelt’ hast. Oder wie Du (als Fotografierte(r)) gute oder schlechte Erfahrungen im Umgang mit Deinen Sorgen gemacht hast.
Bis bald!