66 Fotoshootings in 16 Stunden

Ja, das geht. Und zwar inklusive Bildauswahl, Bildbearbeitung und Druck. Allerdings muss es dann eben auch sehr schnell gehen.

Vielleicht aber mal langsam und der Reihe nach:

WARUM EIGENTLICH macht man sowas?

Wie ich vielleicht schon einmal erwähnte, wohne ich hier auf Sichtweite zur Burg Linn in Krefeld. Um die Burg herum haben sich zur Brauchtumspflege (und einfach weil es Spaß macht) die verschiedensten historischen Gruppen gebildet. Und diese historischen Gruppen haben am letzten August-Wochenende dieses Jahres eine Veranstaltung namens „Lebendige Geschichte auf Burg Linn“ durchgeführt.

In einer dieser Gruppen – der Biedermeiergruppe – sind meine Familie und ich aktiv. Und weil zur Burg Linn auch das Jagdschloss von ca. 1740 gehört, dessen innere heutige Einrichtung einen Querschnitt bürgerlichen Wohnens des 18. und 19. Jahrhunderts repräsentiert und damit gut zur Biedermeierzeit passt, war schnell die Idee geboren, in einem der größeren Zimmer des Jagdschößchens Fotoshootings in biedermeierlicher Gewandung anzubieten.

Jeweils am Samstag und am Sonntag von 10 bis 18 Uhr waren also das Burggelände, Burg und Jagdschloss für Besucher der Veranstaltung ohne Eintritt geöffnet – das ergibt dann schon mal die oben erwähnten 16 Stunden. Wobei die aktive Shootingzeit eigentlich eher 12 Stunden waren. Denn der Besucherstrom setzte am Samstag erst so gegen 11:00 Uhr ein und ließ um 16:00 Uhr schon wieder nach. Am Sonntag ging es zwar direkt um 10:00 los, dafür mussten wir aber um 17:00 Schluss machen, weil das Jagdschlößchen pünktlich um 18:00 Uhr geschlossen wurde und wir ja vorher noch abbauen mussten.

DIE GRUNDORGANISATION

Das Ganze war also eine Aktion auf einer größeren Veranstaltung und bedurfte so einiger Helfer. Meist zwei bis hin zu vier Leuten betreuten allein die Garderobe, wo sich unsere Kunden in biedermeierliches Gewand kleiden konnten. Ein bis zwei weitere kümmerten sich um die Kasse, Anmeldung und weitere Organisation. Und schließlich gab es noch mich als Fotograf, Bildbearbeiter und Fotodruckbeauftragten.

Im Grunde hat das Ganze dann so funktioniert, dass unsere Interessenten

  • sich anmeldeten und einen kleinen Obulus bezahlt haben,
  • für fünf bis zehn Minuten – je nach Personenzahl – in der Garderobe verschwunden sind,
  • dann für wirklich kurze Zeit (ca. 2 bis max. 5 Minuten) vor der Kamera standen,
  • sich anschließend kleidungsmäßig wieder ‚normalisierten‘ während ich eine Vorauswahl der Bilder traf,
  • danach mit mir am Rechner ihre Lieblingsfoto(s) auswählten,
  • und dann kurz abwarteten, während ich die Fotos (ggf. optimierte und) zum Drucker schickte. Während dieser Zeit waren dann oft schon die nächsten Kunden in der Umkleide…

Um die relativ kurzen Umkleidezeiten zu realisieren – die biedermeierliche Kleidung ist ja nicht gerade schlicht – sind einige Mitglieder der Biedermeiergruppe im Vorfeld tüchtig zu Werke gegangen, um die Kleidung vorzubereiten. Die Kleider wurden zum Beispiel auf der Rückseite aufgetrennt, so dass die Damen und Mädchen wie in einen Kittel hineinschlüpfen konnten. Geschlossen wurden die Kleider einfach mit breiten Klammern hinter dem Rücken.

DER FOTO-WORKFLOW

Der Grundansatz war ja, dass das Shooting vom ersten Posing bis zum fertig gedruckten Bild qualitätiv hochwertig, dabei aber sehr schnell vonstatten gehen musste.

Ich hatte also meinen Laptop vor Ort und habe kabelgebunden direkt auf den Rechner in Lightroom hinein fotografiert; „tethered shooting“ sagt man ja im Fotografensprech dazu. In Lightroom hatte ich mir ein Grundentwicklungspreset erstellt, mit dessen Hilfe Farbprofil, Weißabgleich, Kontraste, Lichter und Tiefen schon recht optimal eingestellt wurden. Dieses Preset habe ich dann im Tether-Modul von Lightroom als Grundprofil ausgewählt, dass direkt bei der Aufnahme auf die Fotos angewendet werden sollte. Somit wurden die Fotos schon bei ihrer Ankunft in Lightroom direkt in die richtige Richtung geschubst.

Zusätzlich hatte ich auf die Grundentwicklung aufbauende Presets entwickelt. Zwei sorgten für eine Aufhellung der oberen linken Bildpartie mittels Verlaufwerkzeug – je eins für Hochformatfotos und eins für Querformatfotos. Ich durfte – das war museale Vorgabe – nur mit natürlichem Licht fotografieren. Aufgrund der Höhe der Fenster und des Lichteinfalls über den Tag hinweg war der untere, rechte Bildbereich bei eher weitwinkligeren Aufnahmen grundsätzlich eine halbe bis eine Blende heller als der obere linke Bildbereich. Das musste also insbesondere bei etwas größeren Gruppen oft ausgeglichen werden.

Außerdem hatte ich Presets entwickelt, die für einen entsättigten Farblook bzw. einen getonten Schwarz-Weiß-Look sorgten, die ich den Kunden alternativ zur Auswahl stellen wollte.

Und damit die Presets nicht irgendwie verstreut in der Presetliste herumlagen, habe ich sie in einem gesonderten ‚Ordner‘ innerhalb der Presetliste gesammelt und den Namen jeweils eine Nummer vorangestellt, die der Reihenfolge der Anwendung entsprach.

Sobald das eigentliche Shooting vorbei und der Kunde/die Kunden wieder in der Umkleide war(en), habe ich aus den insgesamt erstellten Aufnahmen eine Vorauswahl getroffen, indem ich meine Favoriten positiv markiert habe – also ein weißes Fähnchen vergab. Hieraus wählten die Kunden dann mit meiner Unterstützung ihre(n) Favoriten, der oder die gedruckt werden sollten. Diese Fotos bekamen dann zusätzlich zum Fähnchen 5 Sterne. Bei dieser Auswahlgeschichte konnte Lightroom mit seinen Vergleichs-, Auswahl- und Markierungsfunktionen mal so richtig auftrumpfen.

Wichtig ist dabei jetzt nicht, dass man die Markierung genauso mit Fähnchen und Sternchen macht, wie ich es getan habe. Wichtig ist einfach nur, dass man sich VORHER ein System überlegt an das man sich beim Shooting dann auch strikt hält. Sonst läuft man nämlich Gefahr – gerade wenn es im Studio zugeht wie in einem Taubenschlag, dass man die Auswahl von Kunde A noch nicht gedruckt hat, während Kunde B schon wartet und man wegen einer Frage von Kunde C dann die Auswahl des Kunden A vergisst.

Sofern eine individuelle Nachbearbeitung überhaupt nötig war, beschränkte sich diese meist auf eine gezielte Aufhellung mancher Bildpartien. Meist fotografierte ich an den beiden Tagen ja Familien – also Kleingruppen – so dass zwangsläufig oft ein oder zwei Familienmitglieder weiter hinten standen und daher etwas weniger Licht abbekamen, als die weiter vorn stehenden Leute. Oder der eigene Hut oder der des Nachbarn sorgte für etwas Schatten im Gesicht. Das führte dann dazu, dass eine individuelle Aufhellung mit dem Korrekturpinsel in Lightroom sinnvoll und buchstäblich in Sekundenschnelle erledigt war. Was man mit diesem schönen Werkzeug so alles anstellen kann, habe ich übrigens hier mal in einem kleinen Video zusammengetragen.

Auch für den Druck hatte ich spezifische Presets im Druckmodul von Lightroom vorbereitet, die auf Ausgabeformat (Hochformat/Querformat), das ausgewählte Papier und den verwendeten Drucker abgestimmt waren. Hierfür hatte ich an einem Abend ein paar Wochen vor der Veranstaltung eine ausgiebige Testreihe gemacht. Da es für mich das erste Mal war, dass ich Bilder in hochwertiger Form selber drucken wollte, habe ich mir hier natürlich ordentlich Vorlauf und Zeit gelassen. Das war auch nötig um das Zusammenspiel der Druckeinstellungen in Lightroom und im Druckertreiber zu verstehen und zu optimieren. Am Ende hatte ich ein Druckergebnis auf dem Papier, dass dem auf dem (kalibrierten!) Monitor meines Laptops angezeigten Bild sehr nahe kam und dessen Einstellungen dann mit den speziellen Druckpresets für die Fotoaktion fixiert wurden.

Außerdem war in den Druckpresets natürlich das Layout hinterlegt. Ich habe die Fotos mit reichlich Rand drumherum auf DIN A4-Papier gedruckt. Der Text unter dem eigentlichen Foto – inklusive des Logos der Biedermeiergruppe – stand als weitere Bilddatei zur Verfügung und konnte so immer in das zu druckende Bildpaket einbezogen werden.

Wenn das Lieblingsfoto also ausgewählt und (falls erforderlich) noch individuell optimiert worden war, bin ich einfach ins Druckmodul von Lightroom gewechselt, habe das passende Druckpreset ausgewählt, das Bild aus dem Fotostreifen in das Layout gezogen und einfach nur noch den Druckauftrag abgeschickt. Eine Minute und 40 Sekunden später konnte das Foto dann in eine stabile Prospekthülle gesteckt und den Kunden ausgehändigt werden.

WAS ICH DABEI GELERNT HABE

Erstens – und darauf bin ich schon ein bißchen Stolz:

Ich habe diesen Stresstest bestanden, aus wirklich jeder Gruppierung in kürzester Zeit ein paar wirklich ordentliche Fotos herauszuholen. Der Workflow saß und die Kunden waren glücklich. Das gibt wirklich Selbstbewußtsein und Sicherheit in Bezug auf kommende fotografische Herausforderungen.

Zweitens:

Geführte Bildauswahl mit Vorselektion durch den Fotografen erleichtert den Kunden die Entscheidung enorm. Ich hatte zwischendurch auch mal keine Gelegenheit zur einer Vorauswahl. Folge: Der Entscheidungsprozess der Kunden war deutlich langwieriger. Und in 99 % aller Fälle sind die Kunden am Ende meiner Empfehlung gefolgt.

Drittens:

Es ist nicht die Frage, OB die Tethering-Verbindung zu Lightroom vielleicht mal abbricht. Es ist nur die Frage, WANN GENAU sie abbricht. Inzwischen bin ich aber klüger geworden. Eine Empfehlung im Troubleshooting-Guide von Adobe für dieses spezielle Problemchen lautet, dass man speziell bei Nikon-Kameras immer eine leere(!) Speicherkarte eingesetzt haben sollte. In der Tat hatte ich Verbindungsschwierigkeiten, nachdem ich zwischendurch mal ohne die Kabelverbindung auf die Speicherkarte fotografiert habe. Wieder was gelernt.

Viertens:

Selber drucken macht Spaß. Ich muss mich jetzt nur noch entscheiden, welchen Drucker ich für mich selber kaufe…. 😉

Fünftens:

Selbst ISO 6400 braucht bei einer Nikon D800 keine Rauschreduzierung. Jedenfalls nicht für den Druck auf ca. 14×21 cm….

 

Oh – und sechstens: Es ist dann ja doch schön, wenn sich zwischendurch ein kleines Loch im Kundenstrom auftut, und man ein wenig Zeit für ein kleines Shooting mit einem Gruppenmitglied hat. So schnell kommt man dann ja doch nicht wieder in solch historisch passendes Gemäuer.

 

Zu dem eigentlichen fotografischen Herausforderungen dieser zwei Foto-Marathon-Tage schreibe ich in Kürze einen kleinen Artikel. Bis dahin vielen Dank, dass Du meinen Blog liest und viel Spaß beim Fotografieren oder fotografiert-werden.

 

Update: Das mit dem Folgeartikel ist inzwischen erledigt. Hier geht es weiter…