Abstand + Blende * Brennweite = “guter” Hintergrund

Ja doch, ich kann das “Och nöööö!” schon hören. Nicht schon wieder irgendwelche Weihnachtsbaumbokehbilder. Ich geb’s ja zu: Weihnachten ist gerade vorbei, und vermutlich könnt ihr vor lauter weihnachtlich angehauchter Fotos kaum noch geradeaus schauen.

ABER mir sind gerade vom just vergangenen Weihnachtsfest ein paar wunderbar geeignete Beispielbilder in die Hände geraten, und da wollte ich mal was zu den Zusammenhängen zwischen Blende, Abständen, Brennweite und der Wiedergabe des Hintergrundes in einem Foto sagen. Und da eignen sich nunmal Fotos mit Weihnachtsbaumbeleuchtung im Hintergrund ganz prima als einprägsames Beispiel. Denn anhand der Größe der Lichtkreise, die die einzelnen Lämpchen der Weihnachtsbeleuchtung ergeben, kann man eindrücklich die Veränderung des Hintergrunds sehen.

Hier also erstmal eine kleine Bildreihe als Beispiel mit ein paar zufällig im Haus anwesenden Models. Der Abstand zwischen meinen Modellen und dem Weihnachtsbaum blieb immer gleich. Nur die Brennweite, die Blende und mein Abstand zu den Modellen (und damit meine Fokusdistanz) hat sich verändert.

links: 60mm f/2.8 // rechts oben: 85mm f/2 // rechts unten: 85mm f/1.8 + kurzer Abstand

Und was sagt uns das?

Ganz einfach: Es sagt uns, dass der Hintergrund bei sonst gleichbleibenden Gegebenheiten tendenziell immer unschärfer wird,

  1. je größer die Blendenöffnung ist (also je kleiner die Blendenzahl ist),
  2. je länger die Brennweite ist und
  3. je geringer die Distanz zwischen Fotograf und Modell – und folglich die Fokusdistanz – ist.

Für wen das nun keine wirkliche Überraschung ist, darf an dieser Stelle gerne aus dem Blogpost aussteigen. Ich bitte trotzdem darum, den Post zu teilen, denn möglicherweise ist das hier für den einen oder anderen in eurem Social-Media-Freundeskreis doch noch eine Neuigkeit.

Und hier noch die Erläuterungen zu den drei obigen Punkten:

zu 1. – die Sache mit der Blendenöffnung:

Bei Blende 2.0 habe ich eine viel geringere Schärfentiefe als bei Blende 5.6. Der unscharfe Bereich hinter meiner Fokusebene beginnt also deutlich früher, weshalb bei gleichbleibenden Abständen der im Foto sichtbare Hintergrund bei offeneren Blenden schon deutlich mehr weichgezeichnet wird, als bei mittleren oder gar ziemlich weit geschlossenen Blenden. Hier einmal ein paar Bildbeispiele, bei denen außer der Blende nichts verändert wurde:

85mm f/5.6
85mm f/2

Wenn ich also so richtig unscharfe Hintergründe haben möchte, komme ich an richtig offenblendigen Objektiven im Zweifel nicht vorbei. Und mit “richtig offenblendig” meine ich Festbrennweiten mit Offenblende 1.8 oder größer (bzw. kleiner; je nachdem ob die Blendenöffnung oder die Blendenzahl gemeint ist). Denn wenn ihr mal ganz oben im linken Beispielbild nachschaut, ist selbst bei Blende 2.8 und mittlerer Brennweite der Hintergrund noch nicht wirklich sehr weich, sondern hat noch viel Struktur.
Auf einigermaßen verlorenem Posten ist man hier jedenfalls mit den typischen Consumer-Kitobjektiven, die am Tele-Ende regelmäßig f/5.6 als Offenblende haben. Da muss ich schon sehr weit in den Telebereich gehen, und eine ziemlich große Distanz zum Hintergrund haben, damit der dann einigermaßen weichgezeichnet wird.

zu 2. – die Sache mit der Brennweite

Durch eine längere Brennweite wird – wiederum bei gleichbleibenden Abständen – der Hintergrund deutlich unschärfer, insbesondere, wenn ihr richtig in den Telebereich reingeht. Auch hierzu habe ich ein Bildbeispiel für euch mit meinem 70-200er gemacht. Ich stand bei beiden Fotos an der gleichen Stelle, ca. 4m vom Weihnachtsbaum entfernt, und habe manuell auf ca 1.5m Distanz fokussiert. Das eine Bild ist mit 70mm Brennweite aufgenommen, das andere mit 200mm.

70mm f/2.8

Aber Achtung: Dabei verkleinert sich natürlich auch der aufgenommene Bildausschnitt, je weiter ihr in den Telebereich geht. Entsprechend enger ist das Bild um euer Model geschnitten. Wird euch Bildausschnitt dann zu eng und müsst ihr entweder wieder etwas mehr in der Brennweite zurückgehen oder mit eurer Kameraposition zurückweichen. Mit beidem wirkt ihr allerdings der Weichzeichnung des Hintergrunds aufgrund der Brennweite natürlich wieder entgegen.

Willkommen im Land der tausend Kompromisse: der Fotografie.

zu 3. – die Sache mit der Fokusdistanz

Verkürze ich den Abstand zur fotografierten Person, verringere ich natürlich entsprechend meine Fokusdistanz. Bei gleichbleibend weit entferntem Hintergrund wird dieser dann deutlich unschärfer dargestellt. Auch dazu ein Beispiel mit gleichem Abstand zum Weihnachtsbaum, mein Modell soll hier mal der Blitz sein (die Kinder waren im Bett). Für das zweite Bild bin ich einfach näher herangegangen und habe – bei gleicher Brennweite, gleicher Blende und gleichem Abstand zwischen “Model” und Weihnachtsbaum – eine entsprechend kürzere Fokusdistanz gehabt.

Wie ihr seht hat sich dabei natürlich auch wieder mein Bildausschnitt verkleinert – logisch bei gleichbleibender Brennweite.

Im Prinzip sieht das hier bei Nr. 3 (Fokusdistanz) ähnlich aus, wie bei Nr. 2 (Brennweite), wenn auch die Unterschiede zwischen den beiden Bildern nicht ganz so krass sind wie bei den Beispielbildern zu Nr. 2. Aber die Ähnlichkeit ist auch wieder einigermaßen logisch, beim Fokussieren werden ja Linsengruppen des Objektivs verschoben. Entweder durch eine Auszugänderung, d.h. ein Tubus mit Linsen wird nach vorn heraus geschoben, oder es wird innerhalb des Objektivs eine Linsengruppe verschoben (oder eine Kombination aus beidem). Jedenfalls bewirkt dies letztlich eine Änderung der Brennweite. So gesehen führt die Verkürzung der Fokusdistanz bei dem Objektiv zu einem Zoomeffekt.
Probiert’s mal aus: Nehmt ein beliebiges Objektiv (am Besten sieht man es aufgrund des langen Fokuswegs bei einem echten Makro), und dreht einfach mal manuell den gesamten Fokusbereich durch, während ihr durch den Sucher auf ein beliebiges Ziel schaut. Ihr werdet sehen, dass sich der Bildausschnitt verengt, je näher ihr in Richtung Naheinstellgrenze kommt.

Sodele. Hab ich was vergessen? Naja, ihr könnt natürlich noch den Abstand zwischen Model und Hintergrund vergrößern, was diesen auch wieder unschärfer werden lässt. Allerdings müssen dazu natürlich entsprechend Raum verfügbar und der gewünschte Hintergrund breit genug sein. Denn je weiter ich den Hintergrund ja von meiner Kameraposition entferne, desto mehr davon landet bei gleichem Bildwinkel ja im Bild.

Eine wichtige Sache zum Abschluss:
Ob nun ein mega-unscharfer Hintergrund ein “guter” Hintergrund ist, hängt natürlich ganz von euch und euren Bildvorstellungen ab. Deshalb auch die Anführungsstriche im Titel dieses Posts. Wichtig zu wissen ist, dass es mehrere Stellschrauben gibt, mit deren Hilfe ich einen Hintergrund verschwimmen lassen kann – oder eben nicht. Das ist und bleibt Geschmackssache. Bei den Eingangs als Beispiel verwendeten Bildern mit der 85mm-Brennweite habe ich mir prompt ein “Ich dachte, man kann den Baum auch noch erkennen.” eingefangen. Und ich hatte mich so darüber gefreut, dass ich trotz des knappen Raums so ein nettes Weihnachtslichterbokeh hinter die Kinder gezaubert hatte…

Also: Geschmackssache! Wichtig. Nicht vergessen.

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